Gerechte Müllgebühren?
von Patricia Gerlings-Hellmanns
Gerechte Müllgebühren?
Das positive Ergebnis der Ausschreibung des Müllentsorgungsvertrages hat gezeigt, dass es Sinn machen kann die Preise für Leistungen im Wettbewerb der Bieter zu vergleichen und dass die Gemeinden der Region dabei gemeinsam vorgehen.
In der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 30.08.2005 wurde in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des Müllentsorgungsvertrages gegen die Stimmen der BVK die Änderung der Gebührenberechnung für Kerken beschlossen.
Das hat Auswirkungen:
Bürger, die kleine Mülltonnen verwenden werden weniger (vielleicht auch gar nicht) von den Kosteneinsparungen durch den neuen Entsorgungsvertrag bei der Müllabfuhr profitieren, als diejenigen, die große Mülltonnen einsetzen.
Bisher wurden die gesamten Müllgebühren im Verhältnis des Volumens der in Anspruch genommenen grauen Restmülltonne festgesetzt. Das heißt unabhängig von der Größe der zur Verfügung gestellten Müllgefäße beträgt die Entsorgungsgebühr für jeden Bürger und jeden Liter Restmüll zur Zeit ca. 2,33 EUR im Jahr.
Aufgrund der nun beschlossenen Änderung wird aus den Kosten für die Gestellung des Müllgefäßes und die Abfuhr des Mülls eine Grundgebühr festgesetzt, die sich aus der Verteilung dieser Kosten auf die Anzahl der Mülltonnen ergibt. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine 80 l oder 1100 l Restmülltonne handelt. Zur Zeit machen diese Kosten ca. 34 % der gesamten Kosten für die Müllentsorgung aus.
Nur die Deponiekosten werden dann noch nach dem Verhältnis der Größe der Müllgefäße verteilt. Die Deponiekosten machen z. Zt. ca. 58 % der gesamten Kosten für die Müllentsorgung aus. Bei der Bio-Tonne soll es beim bisherigen Aufteilungsmaßstab bleiben.
Was ist gegen das neue Berechnungsmodell einzuwenden?
Insgesamt läuft das neue Berechnungsmodell darauf hinaus, dass der Preis je Liter Müll umso günstiger wird, je größer das verwendete Müllgefäß und damit die produzierte Müllmenge ist.
Begründet wird der Wechsel auf das neue Berechnungsmodell damit, dass dem Unternehmer für die Gestellung und jede Abholung einer Mülltonne, unabhängig von deren Volumen, annähernd die gleichen Kosten entstehen. Aus der Perspektive des Müllentsorgers betrachtet ist dies sicherlich so.
Aus Sicht der Politik sind aber andere Kriterien entscheidend:
Wie kann ich Anreize schaffen Müll zu vermeiden?
Wie verteile ich die anfallenden Kosten möglichst gerecht?
Das neue Berechnungsmodell fördert die Müllvermeidung nicht:
Je größer die Mülltonne, desto günstiger der Preis je Liter zu entsorgenden Müll. Der Anreiz durch Müllvermeidung auf das nächst kleinere Müllgefäß (z. B. von 80 l auf die neuen Mülltonnen mit 60 l Volumen) umzusteigen ist gering, weil aufgrund der identischen Grundgebühr der Preisvorteil insgesamt eher gering sein wird.
Wir halten das neue Berechnungsmodell für die Müllgebühren für nicht gerecht:
Je größer die Mülltonne, desto billiger der Preis je Liter zu entsorgende Müll. 75 % der in Kerken eingesetzten grauen Mülltonnen sind zur Zeit 80 l Tonnen. Für diese, bisher kleinsten Tonnen würden sich bei gleichen Rahmenbedingungen die Gebühren erhöhen. Bei gleicher Berechnungsgrundlagen wie für das Jahr 2005 würden Inhaber einer 1100 l Restmülltonne ca. 1,58 EUR/je Liter, Inhaber einer 80 l Mülltonne ca. 2,60 EUR/je Liter Restmüll bezahlen müssen. Das wäre bei den bisherigen Berechnungsgrundlagen ein Preisunterschied von ca. 64 % je Liter Restmüll und gleichzeitig eine Preiserhöhung für drei viertel der Mülltonneninhaber um ca. 11,2 %. Nun ist ein neuer Müllentsorgungsvertrag abgeschlossen worden, der mit einer erheblichen Preisminderung im Bereich Abfuhr und Mülltonnengestellung verbunden ist. Dies wird sich auf die Müllgebühren der kleinen Tonnen auswirken, vielleicht so, dass es im Vergleich zu den bisherigen Gebühren kaum einer merkt. Insgesamt zahlen aber nun diejenigen vergleichsweise mehr, die wenig Müll verursachen.
Zur Klärung:
Bei der Entscheidung über die Wiedereinführung einer Zählergrundgebühr bei der Wasserabrechnung hat die BVK sich für eine Grundgebühr ausgesprochen. Wie ist das mit der Ablehnung einer Mülltonnengrundgebühr in Einklang zu bringen? Für den Betrieb des Zählers entsteht ein Aufwand der durch die Gebühren abgedeckt werden muss. Auch wer kein Wasser verbraucht, soll die Kosten für den montierten Zähler mittragen. Beim Müll sieht die Sache anders aus: Selbst wer seine 80 l Tonne nicht benötigt oder leeren lässt, muss auch nach dem jetzigen Gebührenmodell für 80 l Müll Gebühren bezahlen. Wir brauchen also keine Grundgebühr bei der Berechnung der Müllgebühren.
Problematisch:
Die Müllgebühren sind für jeden privaten oder geschäftlichen Haushalt ein bedeutender Kostenfaktor. Die genauen Auswirkungen des neu geschlossenen Müllentsorgungsvertrages sind noch nicht bekannt gegeben worden. Daher halten wir es für nicht richtig, jetzt schon ein geändertes Berechnungsmodell für Müllgebühren zu verabschieden, ohne die Berechnungsgrundlagen (z. B. das Verhältnis von Fixkosten und variablen Kosten) und die genauen Auswirkungen der Entscheidung zu kennen. Die Kosten für die Müllentsorgung in Kerken werden aufgrund des neuen Vertrages sinken. Das weckt die Hoffnung der Bürger auch davon zu profitieren. Durch die Änderung der Modalitäten bei der Gebührenberechnung werden sich die Vorteile aber ganz sicher zugunsten der Inhaber großer Mülltonnen verschieben. Dazu kommt noch, dass bei der Berechnung der Müllgebühren für 2005 die Auflösung einer Rücklage für die Senkung der Müllgebühren gesorgt hat. Diesen Effekt werden wir 2006 nicht haben.
Mit dem bisherigen Berechnungsmodell für die Müllgebühren hatte Kerken ein gerechtes und Müll vermeidendes Verfahren im Einsatz, das nun zum Nachteil der Mehrzahl der Bürger geändert wird. Die BVK setzt sich für die Beibehaltung der Gebührenberechnung nach dem Verhältnis des Müllbehältervolumens ein und hat deshalb als einzige Fraktion gegen die Änderung gestimmt.
Es berichtete für Sie: Ulrich Heyer
31. August 2005
Wichtiger Termin: Haupt- und Finanzausschuss am 2005-08-30 18.30 in Michael-Buyx-Haus, Nieukerk