500.000 EUR für den Windpark – (k)eine gute Idee?
von Patricia Gerlings-Hellmanns
Um es gleich vorwegzunehmen: Wir sind für den Ausbau der Windenergie in Kerken und haben auch immer eine Beteiligung der Gemeinde daran unterstützt – aber nicht in der jetzt erfolgten Form des Nachrangdarlehens.
Warum nicht, erklären wir in diesem Artikel.
Ursprünglich war die Beteiligung der Gemeinde an einer Windenergiegenos- senschaft vorgesehen. Die Summe von 500.000 EUR sollte im Wesentlichen die Gründung der Genossenschaft als „Non-Profit“ Organisation absichern. Dies hätte ein ausgewogenes Verhältnis von Chancen und Risiken bedeutet. Bereits in der Ratssitzung vom 11. Juli 2019 deutete sich jedoch an, dass die Gemeinde stattdessen eine Beteiligung an einer GmbH in Form eines Nachrangdarlehens anstrebt.
Was genau bedeutet „Nachrangdarlehen“ in diesem konkreten Zusammenhang?
Falls die Windparkgesellschaft zahlungsunfähig wird, würden zunächst die Kredite der Banken bedient, die ca. 85% des Investitionsbedarfs finanzieren. Erst danach würden Nachrangdarlehen zurückgezahlt. Ein etwaiger Rest ginge dann an die Eigentümer.
Im Insolvenzfall ist es allerdings sehr wahrscheinlich, dass die vorhandenen Mittel nicht reichen, um die Verpflichtungen der Banken vollständig zu erfüllen. Damit reichen sie auch nicht um Zinsen und Rückzahlung des Nachrangdarlehens zu bedienen.
Für das höhere Risiko erhält die Gemeinde und weitere Anleger (Bürger) einen erhöhten Zinssatz von durchschnittlich 5%.
Die Gemeinde kann das Darlehen nach 10 Jahren jährlich mit max. 25% der Gesamtsumme kündigen. Allerdings nicht, wenn die Kündigung zur Insolvenz der Gesellschaft führt. Das heißt, dass die Gemeinde gerade im Falle wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft aus dem Darlehensvertrag nicht herauskommt.
Darf die Gemeinde in solche Darlehen investieren?
Um diese Frage zu klären, haben wir im Juli die Verwaltung gebeten, den Sachverhalt durch die Kommunalaufsicht (Kreis Kleve) prüfen und bewerten zu lassen. Hierzu gab es keine eindeutige Aussage des Kreises. Es wurde betont, dass bei einem Investment die Gemeinde auf ausreichende Sicherheit und einen angemessenen Ertrag zu achten hat. Der Sicherheitsaspekt hat hierbei im Vordergund zu stehen. Im konkreten Fall bezweifelt auch die Kommunalaufsicht, dass ausreichende Sicherheiten für die Gemeinde bestehen und bewertet dieses Investment als kritisch.
Warum hat der Rat dem Nachrangdarlehen trotzdem mehrheitlich zugestimmt?
1. Die Ratsmitglieder waren mehrheitlich der Auffassung, dass eine Beteiligung der Gemeinde an der Windparkgesellschaft ein wichtiges Signal an die Bürgerinnen und Bürger sei, dass Kerken es mit dem Thema Klimafreundlichkeit und Klimaneutralität ernst meine. Uns sind diese Themen ein zentrales Anliegen. Allerdings hat dies nichts direkt mit einem Investment in eine Windparkgesellschaft zu tun.
2. In der Diskussion wurde darauf verwiesen, dass die Banken ihre Kredite nicht gegeben hätten, wenn sie hohe Risiken befürchten würden. Grundsätzlich sind Banken gesetzlich dazu verpflichtet, vor der Kreditvergabe umfangreiche Unterlagen vom Kreditnehmer einzuholen. Zudem vergeben sie Kredite im Regelfall gegen Sicherheiten und behalten sich ein Mitspracherecht vor.
Ob und wie die Banken abgesichert sind und welche Informationen diesen vorliegen, ist Außenstehenden wie dem Gemeinderat nicht bekannt. Die Gemeinde Kerken bzw. die Ratsmitglieder verfügen weder über Investitionsrechnungen noch über Finanzinformationen zur Windparkgesellschaft und haben auch kein Mitspracherecht.
Die Windparkgesellschaft stellt öffentlich keinerlei Informationen auf ihrer Homepage bereit, weder zu dem Projekt in Kerken noch zu Projekten in anderen Gemeinden. Die Gemeinde hat auch keinen gesetzlichen Anspruch darauf, diese Informationen zu bekommen. Gesichert ist lediglich die Einspeisevergütung für einen Zeitraum von 20 Jahren gemäß der geltenden gesetzlichen Grundlage.
Wir sehen daher keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für ein hinreichend sicheres Investment in Höhe von einer halben Million EUR Steuergelder.
3. Vermutlich erschien wohl dem ein oder anderen Ratsmitglied der Zinssatz von durchschnittlich 5% = 25.000 EUR jährliche Einnahmen für den Haushalt als sehr verlockend.
Warum haben wir als einzige Fraktion gegen das Nachrangdarlehen gestimmt?
Wir sind der Meinung, dass es bei der Investition von Steuergeldern darauf ankommt, dass diese möglichst SICHER angelegt werden. Wenn risikoreiche Investments wie in diesem Fall getätigt werden, müssen zumindest ausreichende Informationen vorliegen, die eine eigenständige Beurteilung des Risikos und der Chancen ermöglichen. Nur so kann eine Entscheidungsfindung auf Basis transparenter Informationen erfolgen. Genau das war hier nicht gegeben.
Was haben wir nach der Entscheidung unternommen?
Nach dem Ratsbeschluss, vor der Unterzeichnung des Darlehensvertrags, haben wir um eine erneute Prüfung bei der Kommunalauf- sicht gebeten. Die Kommunalaufsicht hat das Investment weiterhin als kritisch bewertet und den Beschluss missbilligt. Von einer formalen Beanstandung des Ratsbeschlusses wurde jedoch abgesehen, da sich Verwaltung und Rat ausführlich mit den Risiken beschäftigt hätten.
Jetzt können wir nur hoffen, dass mit der Investition über 20 Jahre alles glatt läuft.
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